Familie und Kita – eine Partnerschaft

 

Auf dieser Seite erfahren Sie, dass Sie als Eltern nicht einfach Ihr Kind in der Kita oder Tagespflegestelle abgeben und ansonsten passiv bleiben können, sondern dass Sie eine aktive Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Fachkräften bzw. der Tagespflegeperson eingehen sollen. Sie werden darüber informiert, wie diese auf den Ebenen des Kindes, der Gruppe und der Einrichtung ausgestaltet werden kann.

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft

Eltern und Fachkräfte bzw. Tagespflegepersonen prägen ein Kind in hohem Maße; sie werden deshalb heute auch als "Ko-Konstrukteure" der kindlichen Entwicklung (neben dem Kind selbst) verstanden. Sie sollten deshalb bei der Betreuung, Erziehung und Bildung des Kindes eng zusammenarbeiten. Bundes- und Ländergesetze liefern hierfür die rechtliche Grundlage. Möglichkeiten der praktischen Umsetzung werden in den Bildungsplänen der Bundesländer erörtert. Hier wird zumeist der Begriff "Bildungs- und Erziehungspartnerschaft" verwendet, weil er im Gegensatz zu dem "klassischen" Begriff der Elternarbeit eine Kooperation auf Augenhöhe beinhaltet: Eltern und Fachkräfte bzw. Tagespflegepersonen sind gleichberechtigt, übernehmen gemeinsam die Verantwortung für das Kindeswohl und treten in einen offenen Dialog miteinander ein.

Erziehungspartnerschaft auf der Ebene des Kindes

Laut Grundgesetz gilt: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" (Art. 6 Abs. 2 GG, vgl. § 1 Abs. 2 SGB VIII). Im Jugendhilferecht heißt es dementsprechend: "Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind 1. die von den Personensorgeberechtigten bestimmte Grundrichtung der Erziehung ... zu beachten" (§ 9 SGB VIII). Deshalb sollen "die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten ... mit den Erziehungsberechtigten ... zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses", sind die "Erziehungsberechtigten ... an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen" (§ 22a Abs. 2 SGB VIII).

Beim Aufnahmegespräch und bei späteren Gesprächen mit den Fachkräften können Eltern somit ihre Erwartungen und Wünsche hinsichtlich der Betreuung, Erziehung und Bildung ihres Kindes einbringen – aber nicht immer durchsetzen: Zum einen können sich Fachkräfte bei den vielen von ihnen zu betreuenden Kindern nur begrenzt um ein einzelnes Kind und dessen individuelle Förderung kümmern. Zum anderen haben Pädagog/innen eigene Vorstellungen bezüglich der Erziehung und Bildung von Kindern, die sie in der Aus- und Fortbildung sowie in langen Jahren der Berufsausübung immer wieder reflektiert haben. So müssen Eltern oft Kompromisse eingehen. Hier wird erneut deutlich, wie wichtig das gründliche Lesen der pädagogischen Konzeption und das Gespräch mit Fachkräften vor Anmeldung des eigenen Kindes sind: Wenn Eltern im ersten Kita-Jahr feststellen, was beispielsweise Waldorf-Pädagogik bedeutet und dass diese überhaupt nicht ihren eigenen Vorstellungen entspricht, werden die Pädagog/innen das Kind auch dann nicht anders erziehen und bilden, wenn sich seine Eltern auf § 9 SGB VIII (s.o.) berufen!

In den meisten Kindertageseinrichtungen gibt es neben dem Aufnahmegespräch noch ein Eingewöhnungsgespräch am Ende der Eingewöhnungszeit und dann ca. einmal pro Kita-Jahr ein längeres Entwicklungsgespräch. Werden Eltern zu solchen Terminen eingeladen, so können sie ganz ruhig bleiben: Dies bedeutet nicht, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt – es sind "normale" Gespräche, die mit allen Eltern geführt werden. Sie sollten sich aber auf sie vorbereiten, also überlegen, was sie von den Fachkräften erfahren möchten und was sie diesen unbedingt über die Entwicklung des Kindes in ihrer Familie und über besondere Ereignisse mitteilen wollen (z.B. dass ein Großelternteil immer stärker unter Demenz leidet).

Die Fachkräfte bereiten sich in der Regel gründlich auf diesen Termin vor. Sie haben das Kind im Verlauf des Jahres mehrfach systematisch beobachtet und zumeist ihre Beobachtungen dokumentiert. So können sie auf der Grundlage ihrer Notizen, von Entwicklungstabellen, Beobachtungsbögen, Verfahren zur Sprachstandsfeststellung und anderen Tests Auskunft über die Entwicklung des Kindes geben. In manchen Kindertagesstätten werden auch Bildungsgeschichten verfasst, in denen ein Lernprozess des Kindes niedergelegt wurde. In anderen Einrichtungen wird für jedes Kind ein Portfolio angelegt, in dem Bilder, Fotos, vom Kind diktierte Geschichten, Notizen und anderes mehr gesammelt werden. Beim gemeinsamen Sichten des Inhalts während der Besprechung werden Entwicklungsfortschritte besonders deutlich.

Bei den Termingesprächen geht es darum, wie das jeweilige Kind wahrgenommen und wie sein Entwicklungsstand eingeschätzt wird. Beispielsweise wird besprochen, wie sich das Kind in der Familie und in der Tageseinrichtung verhält, was seine Lieblingsaktivitäten in beiden Lebenswelten sind, wie es bevorzugt lernt, was seine Stärken und Schwächen, seine Bedürfnisse und Probleme sind, welche Schwierigkeiten mit ihm auftreten und was für ein Erziehungsverhalten sich in solchen Situationen bewährt hat. Hier wird oft deutlich, dass sich ein Kind in Familie und Tagesstätte unterschiedlich verhält bzw. anders wahrgenommen wird. Dies ist ganz normal, weil es sich um zwei ganz verschiedene Systeme handelt, in denen andere Beziehungsdefinitionen, Rollenerwartungen, Regeln und Interaktionsmuster gelten.

Außerdem wird besprochen, in welche Richtung sich das Kind entwickeln soll. Eltern und Fachkräfte sollten nach Übereinstimmung in den Erziehungszielen, -einstellungen und -methoden trachten. Falls Unterschiede festgestellt werden, kann geklärt werden, ob beide Seiten mit ihnen leben können oder ob ein Kompromiss möglich ist. Für das Kind ist es kein Problem, wenn es in Familie und Tageseinrichtung unterschiedlich erzogen wird, falls Eltern und Pädagog/innen dies ihm gegenüber offen ansprechen und einander respektieren. Werden Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten, (drohende) Behinderungen usw. festgestellt, sollten Eltern und Fachkräfte miteinander besprechen, was die Ursachen sein könnten, wie sie im Rahmen der Erziehung damit umgehen wollen, ob besondere heilpädagogische, medizinische oder therapeutische Maßnahmen notwendig sind und – falls ja – wo und wie diese durchgeführt werden.

Die Zeit, in der Eltern ganz in Ruhe mit der Fachkraft über ihr Kind, seine Entwicklung, Erziehung und Bildung sprechen können, ist in Kindertageseinrichtungen sehr begrenzt. Da die Fachkräfte viele – im Extremfall bis zu 28 – Kinder in ihren Gruppen betreuen, werden sie schon große Schwierigkeiten haben, jedes Jahr ein Elterngespräch pro Kind zu terminieren. Eltern sollten hierfür Verständnis haben, zumal in vielen Bundesländern solche Gespräche wegen der unzureichenden Verfügungszeit der Pädagog/innen häufig während der Anwesenheit von Kindern durchgeführt werden müssen. Das heißt, die jeweilige Fachkraft kann während dieser Zeit nicht erzieherisch und bildend tätig sein; das Elterngespräch geht letztlich auf Kosten der Kinder. Bei großen Gruppen ist es auch seltener möglich, ad hoc ein längeres Tür- und Angelgespräch mit der Pädagogin zu führen.

In Kinderkrippen oder in anderen Einrichtungen, in denen viele unter Dreijährige betreut werden, werden oft mehrere Termingespräche pro Kita-Jahr angeboten, da hier die Gruppen recht klein sind und der Gesprächsbedarf aufgrund der rasanten Entwicklung von Kleinstkindern sehr groß ist. Zudem können Babys und Kleinstkinder noch nicht berichten, wie ihr Tag verlaufen ist und was sie alles unternommen haben. Daher ist der Informationsbedarf der Eltern besonders groß. Deshalb werden auch häufiger (längere) Tür- und Angelgespräche geführt.

In manchen Kindertageseinrichtungen können Eltern in der Gruppe ihres Kindes während des Kita-Jahres hospitieren. So können sie beobachten, wie sich ihr Kind verhält, mit wem es spielt, ob es sich wohl fühlt usw. Durch den Vergleich mit Gleichaltrigen können sie sich einen Eindruck von seinem Entwicklungsstand verschaffen. Hier ist allerdings zu beachten, dass sich Kleinst- und Kleinkinder höchst ungleichmäßig entwickeln: Kinder liegen in der Regel immer in einigen Entwicklungsbereichen (weit) über der "Norm" und in anderen (weit) darunter; diese Entwicklungsvorsprünge bzw. -rückstände verschwinden aber zumeist innerhalb weniger Wochen oder Monate wieder.

Bei Hospitationen können Eltern beobachten, wie Pädagog/innen Bildungsinhalte vermitteln und wie sie z.B. mit einem trotzigen, aggressiven oder gelangweilten Kind umgehen. Manche ihrer Verhaltensweisen lassen sich durchaus auch auf die Familienerziehung übertragen. Zumeist können Eltern nach der Hospitation ein kurzes Gespräch mit den Fachkräften führen und dabei Fragen stellen, die sich aus ihren Beobachtungen ergeben haben.

Die Hospitation seiner Eltern lässt ein Kind stolz sein: "Mein Papa ist in meiner Gruppe!" Zugleich merkt es, dass die Eltern an seiner Lebenswelt "Kindertagesstätte" interessiert sind, und freut sich darüber. Und besonders positiv ist, wenn das Kind erlebt, dass seine Eltern und die Fachkräfte gut miteinander auskommen und einander schätzen. Diese sind nun die wichtigsten Menschen im Leben des Kindes, und es kann nur die bestmögliche Erziehung und Bildung erhalten, wenn Eltern und Pädagog/innen "an einem Strang ziehen".

Erziehungspartnerschaft auf der Ebene der Gruppe

Nur für kurze Zeiträume im Verlauf eines Tages bzw. einer Woche erfährt ein Kind die ungeteilte Aufmerksamkeit der Fachkraft, finden eine individualisierte Bildung und Erziehung statt. Die meiste Zeit wird seine Entwicklung durch das allgemeine pädagogische Angebot, die Gruppendynamik und andere Faktoren auf der Gruppenebene bestimmt.

So sind Eltern an Informationen über die pädagogische Arbeit der Fachkräfte, über den Tagesablauf, bildende Aktivitäten, besondere Projekte usw. interessiert. Die Fachkräfte befriedigen diesen Informationsbedarf, indem sie z.B. für neue Eltern einen Einführungselternabend zu Beginn des Kita-Jahres anbieten, Wochenpläne oder Tagesberichte aushängen, eine Fotowand gestalten oder Artikel in Elternbriefen veröffentlichen.

Bei Hospitationen lernen Eltern "hautnah" den Kita-Alltag und die pädagogische Arbeit der Fachkräfte kennen. Sie können beobachten, wie die Freispielzeit und die angeleiteten Aktivitäten verlaufen, wie Bildungsplan und Konzeption in die Praxis umgesetzt werden, wie Erziehungs- und Bildungsziele in entsprechende Aktivitäten münden und welcher Erziehungsstil praktiziert wird.

In vielen Kindertageseinrichtungen werden Eltern gelegentlich zur Mitarbeit in der Gruppe eingeladen – oder müssen dies sogar tun, wie z.B. bei manchen Elterninitiativen. Sie beteiligen sich dann auch an bildenden Aktivitäten (in Kleingruppen), indem sie beispielsweise Kindern vorlesen, mit ihnen ein Memory oder ein Brettspiel machen, mit ihnen werken oder tonen, ihnen ein Musikinstrument vorstellen, mit ihnen Bilderbücher betrachten oder ein Malprogramm am Computer ausprobieren. Manchmal werden sie im Rahmen eines Projekts um Mitwirkung gebeten, sollen also z.B. ihren Beruf vorstellen oder ein von ihnen beherrschtes Musikinstrument vorspielen. Ferner können Eltern Bildungsangebote außerhalb der Kindertageseinrichtung erschließen, also z.B. Besuche an ihrem Arbeitsplatz, im Rathaus, in einer Kirche, im Krankenhaus oder in einem Museum. Sie können bei entsprechendem Fachwissen die Kinder mit kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Institutionen vertraut machen oder ihnen naturkundliche Erfahrungen in Wald, Feld und Wiese erschließen. Manchmal werden Eltern auch gebeten, die Gruppe bei Ausflügen oder Exkursionen zu begleiten.

In einem begrenzten Rahmen können Eltern Einfluss auf die Abläufe und Aktivitäten in der Gruppe ausüben, indem sie bei Tür- und Angelgesprächen, Termingesprächen oder bei (Gruppen-) Elternabenden ihre Vorstellungen und Wünsche äußern. Bedenkt man aber, dass es bei einer Gruppengröße von 25 Kindern heute durchaus mehr als 50 (!) verheiratete, getrenntlebende oder geschiedene Eltern sowie Stiefeltern und Lebenspartner mit Erziehungsfunktionen gibt, wird schon deutlich, wie gering die Einflussmöglichkeiten eines einzelnen Elternteils sind. Außerdem sind die Fachkräfte professionelle Pädagog/innen, haben sie sich an Rechtsgrundlagen, Bildungsplan, Konzeption und Vorgaben des Trägers zu halten.

Erziehungspartnerschaft auf der Ebene der Kindertageseinrichtung

Begrenzte Möglichkeiten der Elternbeteiligung bestehen auch auf der institutionellen Ebene. So haben Eltern das Recht, von der Kita über grundlegende pädagogische und konzeptionelle Fragen informiert zu werden und sich dazu zu äußern. Zudem können sie bestimmte Maßnahmen und Bildungsangebote vorschlagen (z.B. mehr Obst zum zweiten Frühstück, Schwimmunterricht für ältere Kinder in einem Hallenbad). Ferner können sich mancherorts interessierte Eltern an der Planung und Durchführung von Festen beteiligen oder an der Gestaltung der Innen- und Außenräume mitwirken und dabei ihre Ideen einbringen.

Viele Möglichkeiten für eine Mitarbeit liegen außerdem im Bereich Angebote von Eltern für Eltern: In einigen Kitas haben diese z.B. ein Elterncafé für die neuen Eltern während der Eingewöhnungszeit oder als regelmäßig stattfindender Treffpunkt für alle interessierten Eltern eingerichtet. In anderen Kindertagesstätten wird ein Elternstammtisch angeboten. Manchmal verwalten Eltern eine Bücherei mit Kinder- und Bilderbüchern, Spielen und Erziehungsratgebern. Andernorts haben sie einen Förderverein gegründet und werben Spenden für die Kindertageseinrichtung ein.

Insbesondere wenn Eltern sich auf diese Weise engagieren, werden sie schnell Freundschaften mit anderen aktiven Eltern schließen. So entstehen soziale Netzwerke – die manchmal auch das Fehlen von (in der Nähe wohnenden) Großeltern ausgleichen können: So lässt sich durchaus organisieren, dass andere Eltern ein Kind betreuen, wenn seine Eltern einmal einen Abend für sich haben wollen oder plötzlich verreisen müssen.

Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in der Tagespflege

Bei der Kindertagespflege entstehen in der Regel enge Beziehungen zwischen Eltern und Tagespflegepersonen, weil Letztere ganz wenige Kinder betreuen – und "Kinderfrauen" erziehen nur die Kinder einer Familie in deren Wohnung. Auch durch den häuslichen Charakter der Tagespflegestelle ergeben sich persönlichere Kontakte: Die Eltern werden gelegentlich in das Wohnzimmer auf eine Tasse Kaffee oder Tee eingeladen, weil ihr Kind noch schläft, oder werden beim Abholen gebeten, im Spielzimmer Platz zu nehmen, weil ihr Kind so sehr in sein Spiel vertieft sei, dass es damit nicht aufhören möchte.

So ergeben sich schon im täglichen Kontakt häufig längere Gespräche zwischen Eltern und Tagespflegeperson über das Kind und seine Erziehung. Von Zeit zu Zeit sollten aber auch Entwicklungsgespräche vereinbart werden, die dann zumeist ähnlich verlaufen wie weiter oben ausgeführt. Selbstverständlich können Tagespflegepersonen auch besser auf die Erziehungsvorstellungen und Wünsche von Eltern eingehen, da sie ja nur mit ganz wenigen Kindern arbeiten. So kann hier die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft intensiver ausgestaltet werden als in Kindertageseinrichtungen.